Vertrauen

Vertrauen. Würdest Du jetzt vor mir sitzen, würde ich wahrscheinlich einmal tief durchatmen, ehe ich über meine Sicht der Dinge erzählen würde.

Damals, als Waterloo so schwierig war, da habe ich nach Wegen zu mehr Vertrauen gesucht. Gestoßen bin ich auf unzählige Trainer, die (meistens) irgendeiner Art des Horsemanships anhingen und erzählten, durch Dominanz könne man das Vertrauen des Pferdes gewinnen und dann eben auch Probleme in den Griff bekommen. Vertrauen des Pferdes gewinnt man dann wahlweise durch sogenannte „Spiele“, durch das Scheuchen in einem Round-Pen (ach nee, das heißt ja „Join-Up“), durch freundliches Führen oder was auch immer…

Ich hab Pferde gesehen, die Angst vor dem Menschen hatten. Vor seinen unverständlichen Handlungen, egal ob er „spielte“ (für mich sehen diese Spiele wenig spaßig aus), im Round-Pen jagte – ähm – arbeitete oder in „freundlichen“ Begrenzungen führte. Ich sah verwirrte Pferde, ängstliche Pferde, wütende Pferde, Pferde die aufgegeben hatten. Vertrauensvolle Pferde habe ich selten gesehen.

Und auch, wenn es gerade wie Kritik an all diesen Methoden klingt, ist das heute gar nicht der Punkt, auf den ich hinaus will.

Ich habe mich irgendwann gefragt. warum macht denn der Mensch dieses oder jenes, damit das Pferd ihm vertraut? Wieso beginnt er denn nicht damit, erstmal dem Pferd zu vertrauen?

Vertrauen beruht auf Gegenseitigkeit, oder? Ich vertraue doch niemandem, der mit mir erst bestimmte Dinge tut, damit ich ihm dann anschließend vertraue? Ich vertraue doch jemandem, den ich treffe, indem ich ihn kennen lerne. Ich lerne ihn verstehen, seine Gedanken, seine Gefühle, seine Handlungen. Man hat Interesse aneinander, bemüht sich umeinander. So wachsen Verständnis und mit der Zeit auch Vertrauen. Klingt ganz einfach, oder?

Ich glaube, bei Pferden geht das auch so einfach. Nein, ich WEISS, dass es so einfach ist.

Allerdings glaube ich, dass uns einige Grundannahmen über Pferde dabei im Weg stehen und dass es genau deswegen all diese Methoden gibt, die vorgeben, Vertrauen aufzubauen.

Ich habe mir deswegen angewöhnt, Pferde etwas anders zu betrachten.

  • Pferde sind soziale Tiere. Sie treten gerne in Kontakt zu anderen. Wenn ich freundlich und höflich zu ihnen komme, werden sie gerne Kontakt zu mir haben.
  • Pferde sind grundsätzlich sehr friedliche Tiere. Sie wollen weder die Weltherrschaft an sich reißen noch haben sie vor, mich zu zerfleichen. Es gibt also keinen Grund, ihnen misstrauisch zu begegnen.
  • Ein Pferd testet mich niemals aus oder hat Hintergedanken. Pferde verarschen grundsätzlich niemanden.
  • Kein Pferd der Welt hat um Gefangenschaft oder gar geritten werden gebeten. Ich habe kein Recht, ein Pferd zu irgendwas zu zwingen oder zu bestrafen.
  • Pferde sind große und starke Tiere. Ich habe kein Recht, sie aufgrund meiner Angst vor Größe und Stärke oder Verletzungen zu kleinen Wichten zu machen, die wie Roboter reagieren. Stattdessen helfen Umsicht im Umgang mit ihnen und eigenes, inneres Wachstum.
  • Es ist verrückt und manchmal unverständlich, aber die meisten Pferde mögen Menschen und den Kontakt zu ihnen. Es liegt an mir, dem gerecht zu werden und die Freude in den Augen der Pferde zu erhalten oder wieder zu bringen. ICH sollte lernen, vertrauenswürdig zu sein.

Ich glaube nicht, dass Pferde Vertrauen lernen müssen. Ich denke, wir Menschen sollten endlich beweisen, dass wir es wert sind, Vertrauen von diesen wundervollen Wesen zu bekommen. Das kann bedeuten, an vielen Stellen selbst zu wachsen, mit sich selbst bewusst umzugehen und sich manchmal auch zu verändern. Ich persönlich finde das tausendmal besser und wertvoller, als irgendeine Methode zu erlernen. Ich persönlich bin nicht auf dieser Welt, um gut zu funktionieren – und auch meine Pferde sind sicher nicht dafür hier!

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